Mein Tattoo glaubt an mich und brüllt mich an: "Du darfst nicht aufgeben!"

Veröffentlicht am 15. Oktober 2023 um 15:55

TW: Depressionen ~ Mein erstes Tattoo bekam ich erst mit 21, obwohl ich schon selber andere Leute tätowiert habe. Dies ist eine Tattoo-Story von mir, Lydia, deren Homepage du gerade ansiehst.

Es sollte Bedeutung haben, das war klar. Wenn man selbst Tätowierer ist und sich sein erstes Tattoo stechen lässt, ist die Bedeutung ja eigentlich schon klar, aber das reichte nicht. Es gibt auch Tätowierer, die selbst garkein Tattoo haben. Aber ich wollte schon wissen, wie sich das anfühlt. Ich fand es übrigens ganz furchtbar und habe geweint. Und ich weine immernoch oft, wenn der Schmerz zu schlimm wird. Ich bin da sehr empfindlich und staune immer wieder, was meine Kunden und Kundinnen alles aushalten - ihr seid krass! Und was sein muss, muss eben sein und Tattoos haben es irgendwie an sich, dass man sie manchmal ganz dringend brauch, wie ein inneres Bedürfnis, das immer weiter wächst.

Bedeutung also. Ich war in meiner Ausbildung zur Tätowiererin, also brauche ich ein Tattoo. Ich habe in dieser Zeit selbst fast nur gezeichnet und mich damit beschäftigt, ordentliche Linien ziehen zu können und Tattoos im Skizzenstil zu entwerfen. Also wollte ich ein Tattoo aus Linien im Skizzenstil, was somit mein aktuelles Leben wiederspiegelt. Ein Tattoo, das ich nie bereuen werde, weil es genau zu diesem Zeitpunkt das Richtige war, sich richtig angefühlt hat.

Und wer macht(e) denn die geilsten Zeichnungen? Ganz eindeutig für mich: Leonardo da Vinci. Ein Multitalent, Vegetarier und Philosoph. Ich versuchte zu zeichnen wie er, doch habe es nie geschafft. Ich verehre ihn für Vieles, es sollte also eine Skizze von ihm sein, in seinem Stil. 

Und seelisch? Ich fühlte mich oft allein und rückhaltlos. Da Vinci "im Rücken zu haben" würde mich definitiv bestärken. Symbolsprache: Tattoo muss auf den Rücken. Und auf der Suche nach einem Motov stieß ich dann auf diesen Löwen, der brüllt und kämpft. Außerdem, das ist jetzt abgedroschen, aber mein Sternzeichen ist auch Löwe - es ist nicht der Grund, aber die letzte Bestätigung gewesen: Das ist mein Tattoo.

 

TW: Depressionen

Und dieses Tattoo funktioniert. Wenn ich nicht mehr kann, mir alles über den Kopf wächst, ich mir denke, dass ich eh nicht zeichnen kann und niemals gut sein werde, nie erfolgreich oder unabhängig sein kann und ich einfach nur noch aufgeben will, weil sowieso alles Quatsch ist - das Tätowieren ist nur Luxus und davon kann man nicht für immer sein Leben finanzieren und überhaupt, was hat das Leben für einen Sinn? Alles sinnlos. Oder manchmal brauche ich auch einfach einen Arschtritt. Dann kann ich in den Spiegel und mir über die Schulter sehen und werde von da Vinci angeschrien: "Du darfst nicht aufgeben!" Und dann kann ich tief einatmen und mir denken "Ok", nicht durchdrehen, wieder aufstehen, es wird weitergehen.

Gerade in den Lehrjahren ist das oft passiert, inzwischen geht's. Selbstzweifel gehören zu meinem Job wohl dazu, aber ich konnte es schaffen, jetzt schon so lang und ich bin nicht untergegangen. Bestimmt auch, weil mir dieses Tattoo so viel Rückhalt geben konnte, von einem Künstler, der mich verstanden hat und dem es bestimmt auch mal so ging. Inzwischen ist es ein wenig ausgeblichen und mancher würde vielleicht sagen man könnte es nochmal überarbeiten lassen. Aber nein, ich finde es genau richtig so, denn da stecken genau diese Gefühle drin, die dieses Tattoo genau so mit mir zusammen erlebt hat. Ich liebe es, genau so wie es ist.

 

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